1. Haus Rechtsanwalt Dr. Monath
2. Haus Juwelier Klein
3. Kleiderhaus Schiller
4. Älteres jüdisches Viertel
5. Jüngeres jüdisches Viertel
6. Landesmuseum - Wohnhaus Familie Wolf
7. Jüdisches Museum mit Privatsynagoge Wolf
8. Haus Unterbergstraße Nr. 15
9. Ehemaliger Standort der Synagoge
10. Straßentrakt ehemalige Lederfabrik Spitzer
11. Älterer jüdischer Friedhof
12. Jüngerer jüdischer Friedhof
13. Urnenmausolem der Familie Wolf
Eisenstadt besaß bereits im Mittelalter die einzige voll ausgebildete
jüdische Gemeinde auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes. Die ersten
sicheren
Belege für eine Ansiedlung von Jüdinnen und Juden in der Stadt stammen
aus dem Jahr 1296, für das 14. und 15. Jahrhundert gibt es zahlreiche
Nachweise über Eisenstädter jüdische Familien. Nach der Vertreibung der
Jüdinnen und Juden aus Ungarn 1671, von der auch die Eisenstädter jüdische
Gemeinde betroffen war, erhielten sie noch im selben Jahr die Erlaubnis zur
Rückkehr, und es kam zur Wiedererrichtung der jüdischen Gemeinde.
Seit dem Jahr 1732 bildete das jüdische Viertel die selbstständige
Gemeinde „Unterberg- Eisenstadt“. Der jeweilige Richter wurde vom Grundherrn
bestätigt und erhielt von ihm als Zeichen seiner Würde den Richterstab. 1836
zählte die Gemeinde den höchsten Stand an EinwohnerInnen, nämlich 906
Jüdinnen und Juden.
Nach dem Ende des Abhängigkeitsverhältnisses vom Hause Esterházy im Jahr
1848 wurden die Jüdinnen und Juden freie, gleichberechtigte (ungarische)
StaatsbürgerInnen. 1871 gründeten sie als „Israeliten-Gemeinde Eisenstadt“
die selbstständige „Großgemeinde Unterberg-Eisenstadt“ mit eigenem
Bürgermeister und Amtmann. Erst nach der Machtübernahme der
Nationalsozialisten in Österreich 1938 wurde Unterberg-Eisenstadt in die
Freistadt Eisenstadt eingemeindet. Die Säule mit der Kette, mit der am
Schabbat das Viertel von den BewohnerInnen abgesperrt wurde um Ruhe zu
gewährleisten, ist noch heute sichtbares Zeichen der politischen Autonomie.
Antisemitismus mussten Jüdinnen und Juden in Eisenstadt in allen Epochen
erleiden. Die Vertreibung, Entrechtung und Ermordung durch die
Nationalsozialisten übertraf aber alles, was sie bisher in der Geschichte
erlitten hatten. Von den 446 Jüdinnen und Juden Eisenstadts überlebten etwa
250 die Shoah. Nur zwei Eisenstädter Juden kehrten nach 1945 wieder zurück.
Das Stadtbild des ehemaligen jüdischen Viertels (Unterberg-Eisenstadt)
wird noch heute durch die Wohnhäuser geprägt. Hervorstechend sind der ältere
Gebäudekomplex der Familie Wolf mit erhaltener Privatsynagoge (heute
Österreichisches Jüdisches Museum), der neuere Gebäudekomplex der Familie
Wolf (heute das Landesmuseum Burgenland), sowie der ältere und der jüngere
jüdische Friedhof und das Wolf-Mausoleum am Hang des Leithagebirges. Die
Synagoge wurde vermutlich noch vor der November-Pogromnacht zerstört, später
abgerissen und an ihrer Stelle ein Bürohaus errichtet.
Kurze Beschreibung des Rundganges
Für einen Rundgang durch die Geschichte des jüdischen Eisenstadts
empfiehlt es sich auf der Hauptstraße Nr. 27 zu beginnen. In diesem Haus
befand sich die Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. Monath. Sein Sohn erzählt in
einem Interview auf dem Videokanal „Vertrieben“ (siehe S. 36) über das
Eisenstadt der 1930er Jahre und seine Flucht nach Argentinien. Schräg
gegenüber im Haus Nr. 24 war die Wohnung und das Juweliergeschäft von Josef
Klein. Wegen der anhaltenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten wählte
er im Jahr 1939 den Freitod. Sein Enkel, Oscar Klein, war ein bekannter
österreichischer Jazzmusiker. In der Fanny-Elßler-Gasse Nr. 4-6 befand sich
das Kleiderhaus von Oskar Schiller (1918-2005). Oskar Schiller überlebte als
Einziger seiner Familie den Holocaust und war einer der wenigen, die nach
ihrer Vertreibung 1945 wieder ins Burgenland zurückkehrten.
Nun geht man weiter Richtung Schloss und kommt zur Josef-Weigl-Gasse.
Hier, im Rechteck zwischen Schlossplatz, Josef-Weigl-Gasse,
Joseph-Haydn-Gasse und Hauptstraße befand sich das erste jüdische Viertel
Eisenstadts. Bereits im 13. Jahrhundert finden sich erste Belege für die
Präsenz von Juden. In dieser Siedlung, so Dokumente aus dem 16. Jahrhundert,
gab es bereits ein Bethaus, ein rituelles Tauchbad und einen Friedhof.
Sichtbare Reste sind nicht erhalten.
Am Ende der Hauptstraße öffnet sich der Esterházyplatz mit dem Schloss
Esterházy und den gegenüberliegenden ehemaligen Stallungen. An der Ecke der
Esterházystraße / Glorietteallee beginnt das im 17. Jahrhundert angelegte
jüdische Viertel von Eisenstadt. Im Haus Esterházystraße Nr. 1 lebte die
Familie Gabriel. Ein Interview mit Tochter Martha Mond ist am Videokanal
„Vertrieben“ zu hören. Einige Schritte weiter gelangt man zum Landesmuseum
Burgenland, welches der Familie Wolf als Wohnhaus diente. Hier ist auch der
„Sándor-Wolf-Gedenkraum“ zu besichtigen“, der zu Ehren des als Gründervater
des Landesmuseums geltenden Sándor Wolf eingerichtet wurde. Lore Lizbeth
Waller war eine Großnichte Sándor Wolfs. Von ihren Sommeraufenthalten in
diesem Haus erzählt sie auf dem Videokanal „Vertrieben“. An der Hinterseite
des Landesmuseums befindet sich in der Unterbergstraße Nr. 6 das ältere
Wolfhaus und Stammsitz der Weinhändlerfamilie. Noch erhalten ist die
Schabbat-Kette, die zur Absperrung der Unterbergstraße zu den Ruhestunden
des Schabbats diente. Das Gebäude beherbergt heute das Österreichische
Jüdische Museum mit einer Dauerausstellung und der in der NS-Zeit unversehrt
gebliebenen und noch erhaltenen Privatsynagoge der Familie Wolf.
Schräg gegenüber im Haus Unterbergstraße Nr. 15 zeugt der Levitenkrug im
Torbogen des Hauseingangs von der jüdischen Geschichte dieses Viertels.
Elisabeth Helfer wuchs in diesem Haus auf und erinnert sich in einem
Interview am Videokanal „Vertrieben“. Das Haus Nr. 16 auf der
gegenüberliegenden Straßenseite bildete den Straßentrakt der ehemaligen
Lederfabrik Spitzer. Die Synagoge existiert nicht mehr. Sie wurde vermutlich
vor der Pogromnacht im November 1938 zerstört, nach 1945 abgerissen und an
ihrer Stelle auf Nr. 17 ein Bürogebäude errichtet. Eine Gedenktafel erinnert
an ihren Standort.
Am oberen Eingang der Unterbergstraße stand das nicht mehr existente
jüdische Armenhaus. Von da gelangt man nun rechter Hand zum älteren
jüdischen Friedhof. Dank der Dokumentation der 1.082 Grabsteine durch das
Österreichische Jüdische Museum ist es BesucherInnen möglich, die Namen der
hier Begrabenen mittels Mobiltelefon und QR-Code zu erkunden. Hier liegt
auch das bedeutende Grab des ersten Rabbiners von Eisenstadt, Meir ben Isak.
Am anderen Ende des öffentlichen Weges, der durch den geteilten Friedhof
führt, kommt man zur Carl-Moreau Straße, wo sich in Sichtweite der jüngere
jüdische Friedhof befindet.
Ein etwas längerer Weg bietet sich zum Urnenmausoleum der Familie Wolf am
Ende des Rundgangs an. Es liegt im Wolfgarten am Hang des Leithagebirges,
hinter dem Gymnasium der Diözese Eisenstadt. Erbaut wurde es von der Familie
Wolf, nachdem die in die Familie eingeheiratete Christin Ottilie Laschober
nach ihrem Tod 1927 auf keinem der Friedhöfe begraben werden durfte. Auch
weitere Angehörige der Familie, die zwischen 1938 und 1988 verstarben,
wurden hier begraben.
Onlinedokumentation „Ver(BE)gangen“:
www.ojm.at/verbegangen
Outdoor-Ausstellung 2012 des Österreichischen Jüdischen Museums in 11
Text- und Bildfolien.
Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge Eisenstadt:
repositum.tuwien.at
Videokanal „Vertrieben“:
Interviews mit ZeituegInnen aus Eisenstadt
Entlehnung des Schlüssels zum jüdischen Friedhof: Beim Portier im
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder oder im Österreichischen Jüdischen
Museum, Unterbergstraße 6.
Das Österreichische Jüdische Museum
Das Österreichische Jüdische Museum hatte das große Glück, sich in einem
historischen Gebäude des ehemaligen jüdischen Viertels von Eisenstadt
einrichten zu können. Es befindet sich somit an einem Ort, an dem mehr als
250 Jahre lang eine namhafte jüdische Gemeinde angesiedelt war. Das Museum
wurde schon 1972 als erstes jüdisches Museum in Österreich nach 1945
gegründet. Bei einem Besuch können Sie nicht nur die ehemalige private
Synagoge und die Sammlungen des Museums besichtigen, sondern auch einen
Eindruck der alten Häuser des jüdischen Viertels sowie der beiden jüdischen
Friedhöfe gewinnen.
A-7000 Eisenstadt, Unterbergstraße 6
Telefon: +43 (0)2682 65145 | Fax: +43 (0)2682 65145-4
E-Mail: info@ojm.at
Website: www.ojm.at
Öffnungszeiten:
Aktuelle Öffnungszeiten sind auf der Webseite des Museums veröffentlicht.
Das Landesmuseum Burgenland
Der Häuserblock, in dem das heutige Landesmuseum Burgenland untergebracht
ist, gehörte viele Jahrzehnte lang jüdischen Eigentümern, darunter auch
Alexander (Sándor) Wolf. Er war einer der größten Weinhändler der
Donaumonarchie und leidenschaftlicher Sammler. Seine Sammlung umfasste rund
6.000 Exponate aus Archäologie, Geologie, sakraler Kunst und Volkskunde. Die
Sammlung wurde 1938 „arisiert“ und nach 1945 der Familie der Schwester von
Sándor Wolf zurückgegeben. Das Land Burgenland kaufte bei der nachfolgenden
Versteigerung Teile davon an. Sándor Wolf gilt damit als Gründervater des
Landesmuseums. Ihm ist seit 2014 eine eigene Ausstellung gewidmet. Im
ehemaligen Wohnbereich, in dem heute eine Bibliothek untergebracht ist, kann
die Sammlung des Sándor Wolf besichtigt werden.
[1] Klampfer, Josef: Das Eisenstädter Ghetto. (=
Burgenländische Forschungen, Heft 51). Eisenstadt 1966.
[2] Lang, Alfred / Tobler, Barbara / Tschögl, Gert (Hg.): Vertrieben.
Erinnerungen burgenländischer Juden und Jüdinnen. Wien 2004.
[3] Magnus, Naama G.: Auf verwehten Spuren. Das jüdische Erbe im
Burgenland. Teil 1 Nord- und Mittelburgenland. Wien 2013.
[4] Petters, Thomas: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Eisenstadt. Dipl. Arbeit an der Technischen Universität Wien. Wien 2016.
Publikation Online
[5] Reiss, Johannes (Hg.): Aus den Sieben Gemeinden. Ein Lesebuch über
Juden im Burgenland. Eisenstadt [1997]
[6] Reiss, Johannes: Jüdisches Eisenstadt. In: Jüdisches Eisenstadt.
Jüdisches Sopron. Ein Exkursionsführer. Hg. von Ferdinand Opll. (= Exkursionen des Österreichischen Arbeitskreises für
Stadtgeschichtsforschung, Bd 14). Linz 1997.
[7] Reiss, Johannes: „.weil man uns die Heimatliebe ausgebläut hat.“ Ein
Spaziergang durch die jüdische Geschichte Eisenstadts.
Eisenstadt 2001.
[8] Waller, Lore Lizbeth: View from a distance. Riverside 1993.
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